Auf der Fahrt westwärts vom Tokioter Bahnhof auf der Tōkaidō-Shinkansen-Strecke halten die Züge am Bahnhof Shinagawa und anschließend am Bahnhof Shin-Yokohama.

Mittlerweile halten hier ausnahmslos alle Züge, einschließlich der schnellsten Kategorie „Nozomi“. (Sogar der Messzug „Doctor Yellow“ macht in Shin-Yokohama Station Halt.)

Für die meisten Fahrgäste ist dieses Bild so selbstverständlich, dass es kaum Raum für Fragen lässt.

Dreht man die Uhr jedoch etwa 60 Jahre zurück, ergibt sich ein völlig anderes Bild.

Shin-Yokohama war einst ein Bahnhof, den die Elitezüge der Shinkansen-Linie, „Hikari“ und „Nozomi“, ohne mit der Wimper zu zucken im Volltempo durchfuhren.

Wie aber konnte sich eine Station, die einst in einer ländlichen Einöde errichtet wurde, zu einem bedeutenden Verkehrsknoten mit einer der höchsten Passagierzahlen Japans entwickeln?

Verborgen in dieser dramatischen Wachstumskurve liegen die Mühen der Bahningenieure und das unvermeidliche Drama, das aus dem Wachstum einer Stadt geboren wird.

1. Bau in einem vorherbestimmten „Niemandsland“

Die Tōkaidō-Shinkansen wurde 1964 eröffnet.

Die größte Herausforderung für die damalige Japanische Staatsbahn (JNR) war die Frage, wie man Tokio und Osaka mit hoher Geschwindigkeit verbinden könnte.

Die für den Hochgeschwindigkeitsverkehr notwendigen „geraden Strecken“ durch das bereits überfüllte Stadtgebiet um den Bahnhof Yokohama zu legen, war sowohl physisch als auch finanziell unmöglich.

Daher entschieden sich die Ingenieure für eine Route, die das Yokohamaer Stadtgebiet weiträumig umgeht und stattdessen durch das Binnenland führt.

Der gewählte Punkt war der Kreuzungsbereich mit der Yokohama-Linie.

Damals war dies die Gegend um Shinohara-chō im Stadtbezirk Kōhoku.

Betrachtet man Luftaufnahmen aus der Eröffnungszeit, ist das Bild frappierend.

Die Station war nicht von Gebäuden oder Hotels umgeben, sondern nur von Feldern, Ackerland und Wäldern.

Die Umgebung vor dem Bau des Bahnhofs Shin-Yokohama (1961)
Die Umgebung vor dem Bau des Bahnhofs Shin-Yokohama (1961).

Es erinnert an den Bahnhof Shin-Hakodate-Hokuto der Hokkaidō-Shinkansen bei seiner Eröffnung – ein Vorposten in der Wildnis.

Ein Ort, der den Namen „Yokohama“ trägt, aber weit entfernt vom pulsierenden Stadtzentrum liegt. Das war der Ausgangspunkt für Shin-Yokohama.

Sein Status bei der Eröffnung war folglich nicht hoch. Nur der Alles-hält-Zug „Kodama“ machte hier Station.

Die „Hikari“-Züge, die zwischen Tokio und Osaka preschten, rauschten an diesem kleinen Bahnhof vorbei und wirbelten Staub auf.

2. Stadtexpansion und die Entscheidung für „Hikari“-Halte

Die Errichtung des Bahnhofs veränderte das Schicksal des Landes jedoch entscheidend.

Das überwältigende Potenzial, „in weniger als 20 Minuten in Tokio und direkt mit Osaka verbunden“ zu sein, traf auf die Stadtexpansion während der Phase des hohen Wirtschaftswachstums.

Die anfangs spärliche Bebauung um den Bahnhof verwandelte sich schließlich in einen Strom.

Unternehmen, die den Vorteil der Shinkansen-Anbindung erkannten, verlegten nacheinander ihre Hauptsitze und Büros hierher.

Gleichzeitig schritt die Wohnbebauung als Schlafstadt für Tokio voran, was zur Entstehung von „Shinkansen-Pendlern“ führte, die um Shin-Yokohama herum lebten und mit dem Hochgeschwindigkeitszug zur Arbeit fuhren.

1985 wurde die Yokohama Municipal Subway Blue Line verlängert und stellte eine Verbindung zum Zentrum Yokohamas her.

Entwicklung des Gebiets um Shin-Yokohama

Angesichts der rapide steigenden Zahl von Geschäftsleuten und Anwohnern, die den Bahnhof nutzten, sah sich die Staatsbahn zum Handeln gezwungen.

Schließlich begannen einige „Hikari“-Züge, in Shin-Yokohama zu halten.

Dies war der Moment, in dem sich der Bahnhof von einem bloßen „Lokalhalt“ zu einem „überregionalen Verkehrsknoten“ wandelte.

3. Der Paradigmenwechsel: Alle „Nozomi“-Züge halten

Der endgültige Schritt zur heutigen Bedeutung vollzog sich mit der Einführung der „Nozomi“-Züge als neuer Spitzenkategorie 1992.

Ursprünglich sollten diese superschnellen Züge nur an ausgewählten Großstadtbahnhöfen halten und Shin-Yokohama ignorieren.

Doch der Bahnhof und sein Umland waren nicht mehr aufzuhalten. Die Passagierzahlen explodierten, und der wirtschaftliche Druck wuchs.

Die Nachfrage von Unternehmen und Pendlern war so überwältigend, dass die Bahngesellschaft JR East nach der Privatisierung nachgab.

Seit 1999 halten – mit wenigen Ausnahmen in den Morgen- und Abendstunden – alle „Nozomi“-Züge planmäßig in Shin-Yokohama.

Damit war die Metamorphose vollendet: Vom Bahnhof im Nirgendwo zum unverzichtbaren Haltepunkt auf Japans wichtigster Hochgeschwindigkeitsstrecke.

Die Geschichte Shin-Yokohamas ist ein Lehrstück darüber, wie Verkehrsinfrastruktur nicht nur Städte verbindet, sondern sie auch erschaffen und transformieren kann.