An zwei heißen Wochenendtagen im August 1989 – einem überraschend pilzreichen Monat –, genauer gesagt am 12. und 13., als die Sommerfrischler in der Nähe von Moskau Steinpilze direkt an ihren Gartenzäunen pflückten, wurde die sowjetische Hauptstadt von einem beispiellosen Festival erschüttert.
Trotz seines offiziell klingenden Namens Moscow International Peace Festival / Moscow Music Peace Festival handelte es sich nicht um irgendein Musikfestival, sondern um ein Rockfestival mit einer unglaublich prominenten Besetzung. Im Luschniki-Stadion, das damals wie alles andere im Land den Namen W.I. Lenins trug, verschlugen die Crème de la Crème der weltweiten Heavy-Metal-Szene den unvorbereiteten Sowjetbürgern den Atem: Ozzy Osbourne, Jon Bon Jovi, Scorpions, Mötley Crüe, Skid Row und Cinderella.

Zugegeben, die jungen Moskauer waren nicht völlig ahnungslos: Sie kannten und liebten diese Bands, und Rockgrößen wie Uriah Heep und Pink Floyd hatten bereits Konzerte in der Hauptstadt gegeben. Doch eine solche Konzentration von Rockstars hatte Moskau noch nie erlebt.
In einer Stadt, in der nicht lange zuvor Polizei und Freiwilligenstreifen noch rigoros durchgriffen, wenn jemand aufstehen, tanzen oder seine Emotionen offen zeigen wollte, ließen sich nun Zehntausende junger Menschen von der energiegeladenen, lauten und schweren Rockmusik mitreißen. Es war kaum zu glauben, was da geschah, aber es spielte sich vor einem riesigen Publikum ab – das Festival zog an zwei Tagen 120.000 Besucher an.
Die Tickets waren für den Durchschnittsmoskauer angesichts der hochkarätigen Besetzung recht teuer. Letztlich wurden sie jedoch zum Dreifachen unter dem Nennwert verkauft, was die enorme Popularität der Veranstaltung noch steigerte. Zudem übertrug MTV das Festival in 59 Länder weltweit.

Im historischen Maßstab wurde das Festival zu einem der wegweisenden Ereignisse jener großen Umbrüche, die im riesigen Sowjetstaat stattfanden, der sich der Welt öffnete. Es war auch eine Demonstration der neuen amerikanisch-sowjetischen Freundschaft nach drei Jahrzehnten Kalten Krieg. Das Festival inspirierte maßgeblich die berühmte Rockhymne „Wind Of Change“ der Scorpions, die zu den Headlinern gehörten.
Doch nicht alles war so einfach – im Gegenteil. Wie dieses Festival zustande kam, wie das alles überhaupt möglich war – diese Frage müssen sich viele sowjetische Funktionäre gestellt haben.
Es war eine seltsame, schicksalhafte Zeit, in der alles bereits aus den Fugen geriet, wo Schrauben und Muttern unter der Belastung von Beschleunigung, Glasnost und Perestroika – den Versuchen, das sowjetische System zu reformieren – pfeifend abfielen.
Doch man sollte nicht glauben, dass für so ein Unterfangen nur Träumer und Visionäre nötig waren. Man musste auch Stas Namin sein, der auf sowjetischer Seite der Inspirator und Organisator des Festivals war.

Erklärend sei gesagt, dass der Musiker und Produzent Stas Namin in der sowjetischen Nomenklatura so etwas wie ein echter „Prinz“ war. Als Enkel von Stalins Volkskommissar Anastas Mikojan, nach dem er benannt wurde, war er ein mustergültiger Vertreter der „Goldenen Jugend“ – ihm wurde vieles erlaubt.
In den 1970er Jahren war seine Band „Tsvety“ (Blumen) die hippie-artigste unter den offiziellen „vokal-instrumentalen Ensembles“. Und gleich zu Beginn der Perestroika gelang es ihm, das Stas-Namin-Zentrum im „Grünen Theater“ im Gorki-Park für Kultur und Erholung zu gründen, zu dem unter anderem ein Plattenlabel und der erste private Radiosender gehörten.
Zu dieser Zeit produzierte Namin die eigens für den amerikanischen Markt geschaffene Export-Rockband Gorky Park. Selbstverständlich traten sie auch beim Festival auf und veröffentlichten kurz darauf ihr Debütalbum in den USA. Dies vermittelt eine Vorstellung von der Statur von Stas Namin. Doch selbst für jemanden wie Stas Namin war die Organisation einer solchen Veranstaltung eine Herausforderung höchsten Grades.

Auf amerikanischer Seite war der Musikproduzent Doc McGhee unter den Organisatoren die Schlüsselfigur. Er war es, der half.